HIFI.NL-Test H10 und H20 Lautsprecher :

„wunderschön verwirklichter Traum zwischen Soundsystem und der Raumakustik“

Auszug aus dem niederländischen von WERNER ERO | 30 SEPTEMBER 2023

Die kürzlich getesteten Boenicke W5 SE+ Lautsprecher haben meine Hörwelt komplett auf den Kopf gestellt. Ich hatte noch nie zuvor so kleine und so gut klingende Lautsprecher gehört. Aber zum Glück gibt es noch andere wunderbar ausgefallene Entwürfe auf dem Markt. Produkte, die alle eines gemeinsam haben, nämlich Entwickler, die die Dinge wesentlich anders angehen. Doch während die Schweizer Boenickes wirklich mini sind, fallen die beiden Höffner-Lautsprecher aus deutscher Produktion gleich ein ganzes Stück größer aus. Dass man das nicht als Nachteil, sondern als Selbstverständlichkeit sehen sollte, erkläre ich in diesem Testbericht.

 

 

Höffner Audiosysteme

 

Der Entwickler Markus Höffner wuchs in einer Familie auf, in der Musik eine wichtige Rolle spielte.  Als Kind verliebte er sich schnell in die Musik von Johannes Brahms und Johann Sebastian Bach, und da sein Vater professionelle Konzertaufnahmen machte, kam er schon früh mit hochwertigen Aufnahme- und Wiedergabesystemen in Berührung. Richtig gepackt hat Höffner das Lautsprechervirus aber erst, als er in einem Elektronikgeschäft zu arbeiten begann.

Mit wachsendem Wissen und der nötigen Begabung wurde immer deutlicher, dass er ein Talent für das Handwerk hatte und sein zunehmender Erfolg erlaubte es ihm, immer mehr Zeit und Geld in die Entwicklung und Produktion seiner Lautsprecher zu investieren.  2012 war es dann endlich so weit. Er gründete die Höffner – Audio System Manufaktur. Seitdem vertreibt ein Team aus Ingenieuren, Konstrukteuren und Designern Lautsprecher der besonderen Art.

Zurück zum Hifi Studio Wilbert in Utrecht, wo ich Boenicke kennengelernt habe und wo mir der Geschäftsführer Harald Warnier eines Tages mitteilt, dass er wieder einige ganz besondere Lautsprecher ausstellt. An einem schönen Tag im September fahre ich also wieder in die malerische Korte Jansstraat 11 in Utrecht.

Diesmal bespreche ich die Lautsprecher nicht zu Hause, sondern in Wilberts großem Hörraum im ersten Stock. Das liegt daran, dass es sich um zwei Lautsprecher handelt, und weil ich die Lautsprecher mit unterschiedlichen Hifi-Anlagen in verschiedenen Preisklassen hören möchte. Das ist in einem Geschäft schneller zu erreichen als zu Hause. In dem Moment, in dem ich den Hörraum betrete, bin ich ziemlich sprachlos. Nicht nur wegen der wunderschönen H10 Lautsprecher, sondern auch wegen der perfekten Präsentation.

 

Der H10 – Was ist er?

Der Höffner H10 ist ein ventilierter 2-Wege-Lautsprecher mit Passivmembran, der aufgrund seiner Fähigkeiten und seines Prinzips auch sehr gut für eine wandnahe Aufstellung geeignet ist.

„Wie sehr ähnelt die Grundform den Bang & Olufsen Beovox RL (Red Line) 140 Lautsprechern aus den frühen 1990er Jahren?“

Wenn ich genauer hinschaue, ist das H10 Konzept wirklich von heute und das B&O-Konzept von damals, aber es ist klar, wovon Höffner inspiriert wurde. Ich werde kurz auf das letztgenannte Design eingehen, das von Davis Lewis entworfen wurde. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Idee hinter der Red Line-Serie die der Flexibilität war. Das Konzept war nämlich so angelegt, dass man sie überall aufstellen konnte, und Sie haben es wahrscheinlich erraten, dieser Aspekt ist auch eines der Hauptziele von Höffner. Doch hier enden weitere Vergleiche, denn was der H10 heute technisch kann, davon konnte Davis Lewis in jenen Jahren nur träumen.“

Besonderes Augenmerk legen die Höffner-Konstruktionen dabei auf die Optimierung des Phasen- und Zeitverhaltens. Die aktive H10 verfügt außerdem über 250-Watt-DSP-gesteuerte Class-D-Endstufen. Sehr schön ist, dass die Konstruktionen sowohl bei niedrigen als auch bei höheren Lautstärken ihre klanglichen Eigenschaften voll beibehalten.

Da das Hifi Studio Wilbert aus einer breiten Palette schöner Produkte schöpfen kann, hat Harald für mich drei – jeweils in ihrer eigenen Preisklasse – sehr starke digitale Quellen vorbereitet. Ein Trio, von dem er glaubt, dass für jeden etwas dabei ist. Beginnen wir mit dem kleinen, aber in Bezug auf Formfaktor und Bedienkonzept besonders schönen „All-in-One“-Kopfhörer Naim Unity Atom (2.999 Euro). Ein Gerät, das einen hochwertigen Streamer/Vorverstärker, Kopfhörerverstärker, Google Cast und Apple AirPlay 2 in sich vereint und vollständig über iPod/Pad, Android, aber auch einfach und vollständig über die Fernbedienung am Naim Uniti Atom Headphone selbst steuerbar ist.

Auch wenn ich mich vorher eine Weile an den Höffner H10 gewöhnen und hören konnte, ist beim Umschalten auf den Naim sofort hörbar, dass hier ein Gerät dieses Herstellers spielt. Denn sofort ist das Zusammenspiel, das Leuchten und die Synergie zwischen den Musikern da, die so typisch für diese Marke ist. Im Vergleich zum teureren MOON und erst recht zum noch teureren dCS wirkt der Atom zwar etwas runder und kompakter in der Stereoabbildung. Aber ist das angesichts des viel niedrigeren Preises erlaubt?

Dann ist es Zeit für den MOON 390 Vorverstärker-Netzwerkplayer mit DAC an Bord. Der Preis gegenüber dem Naim verdoppelt sich auf über 6.290 Euro, und beim ersten Hören ist der Unterschied signifikant. Der Moon gibt zum Beispiel ein größeres und besser gestaffeltes Raumbild wieder. Der Klang ist gleichmäßiger, die Tiefen sind neutraler und dieser Verstärker eignet sich besonders für Musikliebhaber, die eine selbstsprechende, leise Wiedergabe mögen. Nichts irritiert, nichts stört, viele Informationen sind zu hören und alles hat seinen Platz im Stereobild, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu spielen. Sehr schön!

Es fällt auf, wie schön sich die H10-Lautsprecher akustisch „unsichtbar“ machen können; nichts stört, alles ist präsent und das mit Lautsprechern direkt vor der Wand und unabhängig vom Lautstärkepegel.   Große Klasse!

Für letztere Kombination zieht Harald alle Register. „Wer den aktiven Höffner H10 von seiner besten Seite hören will und dazu noch das schönste Design haben möchte, der ist hier genau richtig.“ Das hat allerdings einen stolzen Preis, den ich selbst ausfüllen werde. Denn die neue dCS-Lina-Master-Uhr kostet 9.000 Euro, während der dazugehörige Lina-Netzwerk-DAC nur für stolze 15.500 Euro zu haben ist. Ja, das ist eine Menge Geld für die digitale Steuerung allein. Aber es ist auch ziemlich atemberaubend, was das mit den H10-Lautsprechern macht. Denn viel mehr als bei den anderen beiden Marken löst sich die Wiedergabe jetzt noch mehr von den Wiedergabemodulen. Der Klang ist jetzt auch sehr straff, schön ausdrucksstark, natürlich kultiviert und der Tiefgang ist jetzt wirklich „wow“.

Nicht so sehr im Sinne von „Erdbeben“, sondern viel mehr im Sinne des musikalischen Gesamtbildes. Ein wunderschön verwirklichter Traum zwischen einem wirklich schönen Soundsystem und der Raumakustik.

 

Höffner H20-Jubiläum

„Aber wir haben noch ein anderes wunderbares Lautsprecherpaar, das wir Ihnen gerne vorstellen möchten. Es ist die Höffner H20 Anniversary. Ein Sondermodell, das anlässlich des zehnjährigen Bestehens von Höffner Audiosysteme vor kurzem auf den Markt gekommen ist. Tatsächlich ist das Modell noch so neu, dass hier das allererste Produktionspaar zu sehen ist! Es ist eine „konventionelle“ passive Konstruktion. Gerade als ich denke, dass diese Wiedergabemodelle dann sicher die gleiche Gehäuse- und Lautsprecher-Bestückung haben werden, liege ich teilweise falsch. Denn während die Abmessungen (H 92 x T 33 x B34 cm) und die Form gleich sind, ist sonst alles anders.

Das Modell ist noch so neu, dass man nicht einmal auf der Website des Herstellers etwas darüber finden kann. Aber zum Glück kann mir Harald mehr darüber erzählen. „Die H20 Anniversary ist ein 2-Wege-System, das mit einem Passivradiator für Tiefbass sorgt. Höffner stand vor der Herausforderung, sein aktives Konzept in eine konventionellere Technik zu überführen und dabei alle Qualitäten zu erhalten, die die H10 so einzigartig machen.

Um dies zu erreichen, musste die Tiefmitteltoneinheit deutlich größer werden. Sie wurde daher von 17 cm auf 22 cm vergrößert. Der Tieftöner bzw. in diesem Fall der Passivradiator ist nicht 22 cm, sondern 25 cm groß, während für den Hochtöner keine weiche Kalotte, sondern eine Beryllium-Kalotte gewählt wurde.“

Auch hier sind die Einheiten asymmetrisch auf der Schallwand platziert, und so gesehen wurden hier eindeutig noch bessere Treiber gewählt. Eine Tatsache, die sich später im höheren Preis für den H20 niederschlägt. Außerdem fällt mir auf, dass auf den beiden Schallwänden eine zusätzliche Platte angebracht wurde. Das sieht nicht nur ganz anders aus, sondern sorgt auch für eine zusätzliche Verstärkung und schafft durch die größere Tiefe der Lautsprecher auch ein wenig mehr notwendiges Volumen in den Lautsprecherboxen. Wenn ich meine Aufmerksamkeit auf die Rückseite des Gehäuses richte, finden sich anstelle des umfangreichen Anschlussfeldes der H10 bei der H20 nur zwei hochwertige Lautsprecherkabelterminals.

 

Spezifikationen

Obwohl noch nicht alles über diesen Newcomer im Detail bekannt ist, reicht der Frequenzbereich von 30-40.000 Hz, der Wirkungsgrad liegt bei bemerkenswert niedrigen 84 dB in 1 Meter Entfernung. Aber es stellt sich heraus, dass die Impedanz angenehme 8 Ohm beträgt, mit einem Minimum von 7,5 Ohm! Das bedeutet, dass der zu verwendende Verstärker nur eine geringe Leistung benötigt, da die tatsächliche Stromabgabe diesmal nicht so wichtig ist.

Natürlich ist die Frequenzweiche zeit- und phasenoptimiert, ganz im Sinne der Höffner-Firmenphilosophie.

Diesmal also ein völlig konventionelles Setup, das aber dem Ziel von Höffner entspricht, natürliche Details und Live-Atmosphäre zu schaffen. Die neue Naim Classic-Linie hat die gleiche Bauhaus-Linie wie die dCS Lina-Serie und passt daher hervorragend zu den Lautsprechern H10 und H20. Harald erklärt, dass der Grund für die Wahl dieser Naims für die H20 die veränderte Klangbalance bei dieser englischen Marke ist. Das Timing und der musikalische Eifer sind geblieben, aber die „neue Classic“-Linie hat deutlich mehr Spannung und Luft in den oberen Regionen. Da Höffner als Marke auf eine milde und sehr ausgewogene Balance abzielt, kann ein solcher Extra-Schub“ dem musikalischen Ganzen etwas zusätzliche Spannung verleihen.

Dieses zweite Setup wird im Vergleich zum ersten um eine Vierteldrehung gedreht, und sobald die ersten Töne aus den Lautsprechern kommen, bin ich überrascht über den großen Unterschied. Denn so schön und gut der H10 auch ist, der H20 spielt sofort noch lockerer, großzügiger, freier und mit mehr Tiefe. Ebenfalls ein großer Unterschied sind die gesteigerten und vor allem gesättigteren, reicheren Klangfarben. Ah, hier ist also alles besser? Nein, das kann ich auch nicht sagen. Eigentlich würde ich es eher als die gleiche Art der Wiedergabe beschreiben, nur mit einem anderen Blickwinkel. Denn mit seinem aktiven DSP-Konzept ist der H10 natürlich viel flexibler, während man beim H20 mit seiner eher konventionellen passiven Natur rechnen muss.

Obwohl also auch der H20 leicht einen Platz finden kann, ist er nicht so flexibel wie der H10. Aber andererseits ist der große Vorteil der passiven Variante, dass man den Klang viel mehr kontrollieren kann. So haben ein anderer Verstärker, andere Kabel und Quellen, mehr Einfluss auf das Endergebnis.

 

Fazit

Obwohl weniger extravagant audiophil als der von mir getestete Boenicke W5 SE+, bewegen sich die Höffner H10 und der H20 Anniversary im gleichen „Spannungsfeld“. Die Boenicke ist optisch eindrucksvoll unsichtbar, während die beiden Höffner ein Bauhaus-Interieur-Statement abgeben. Was die Entscheidung für einen der beiden Höffner angeht, kann ich ganz klar sein. Wenn Sie die maximal erreichbare Klangqualität innerhalb dieses Konzepts wünschen, entscheiden Sie sich für den H20 Anniversary. Wenn Sie jedoch alle Tugenden bevorzugen, die anno 2023 möglich sind, sollten Sie sich für den H10 entscheiden.

Mit dem H20 entscheiden Sie sich zwar für den gleichen atemberaubenden Formfaktor, aber Sie sind auch von den von vielen so begehrten High-End-Attributen umgeben. Ein schönes, großes Raumbild, losgelöst von den Lautsprechern, körperlich spürbare, gut definierte Bässe, ein spürbarer Mitteltonbereich, der Stimmen wirklich zum Leben erweckt, und ein sehr feiner und weicher Hochton.